von Gerald E. Weston
Wohlmeinende und liebevolle Eltern ringen mit sich und fragen sich, warum ihre Kinder einen verkehrten Weg einschlagen. Einige werden von Schuldgefühlen geplagt, weil sie den Eindruck haben, dass sie versagt haben. Andere geben nicht zu, dass sie möglicherweise etwas verkehrt gemacht haben, und geben stattdessen dem Gruppenzwang, den Schulen, oder dem schlechten Umgang ihrer Kinder die Schuld. Kein klar denkender Mensch kann Gruppendruck und den Einfluss verleugnen, den das heutige, weltliche Schulsystem ausübt. Diese stellen gravierende Herausforderungen für alle Eltern von heute dar, aber warum haben manche Eltern mehr Erfolg, ihre Kinder großzuziehen, als andere? Ist es Glücksache? Ein Würfelspiel?
Warum kommen Kinder vom Weg ab? Gibt es Faktoren, die die Chancen erhöhen, glückliche, wohlerzogene Kinder großzuziehen, die produktive Bürger werden? Gibt es Fehler, die vermieden werden können?
Nach 45 Jahren im Predigtamt, von denen ich 25 Jahre in Sommerlagern gearbeitet habe, habe ich viele Jugendliche und deren Familien kennengelernt und mit ihnen gearbeitet. Ich kannte Teenager, die sich fast mit allen Dingen schuldig gemacht haben: Bewaffneter Raub, Einbruch, Ladendiebstahl, männliche und weibliche Prostitution, Handtaschenraub und ungezählte außereheliche Schwangerschaften. Warum? In diesem ersten von zwei Artikeln werden wir fünf Gründe betrachten, warum Kinder auf Abwege geraten.
Grund Nummer 1: Heuchelei
Es gibt nichts Schlimmeres, was ein Kind dazu bringt, seine Eltern und deren Wertorientierungen nicht zu respektieren, als Heuchelei.
Wenn wir einen bestimmten Weg lehren, aber einen anderen Weg vorleben, werden die Kinder bald darauf aufmerksam. Sie sind Meister darin, Heuchelei in anderen zu erkennen, weil sie selbst auch Meister im heucheln sind. Wie viele Eltern sagen: „Mach‘ nicht was ich mache, sondern tu‘, was ich sage“? Eltern, die damit drohen, „ich wasche dir den Mund mit Seife aus, wenn ich das Wort noch einmal aus deinem Munde höre“, aber dann dasselbe Wort selbst gebrauchen, sorgen dafür, dass Kinder den Respekt vor ihnen verlieren. Es wird nichts helfen den Kindern faires, sportliches Verhalten beizubringen, wenn der Vater unsportliches Verhalten auf dem Platz, in den Zuschauerrängen, oder bei einer Sportveranstaltung im Fernsehen an den Tag legt. Kinder müssen wissen, dass ihre Eltern gleichermaßen handeln, wie sie reden. Etwas Anderes zu tun sendet eine Botschaft, dass sie eigentlich gar nicht an das glauben, was sie sagen.
Als Eltern leben wir kein perfektes Leben, aber unser wesentliches Vorbild und unser Lebensstil müssen soweit wie möglich mit dem übereinstimmen, was wir lehren. Es ist wichtig, zu verstehen, dass es einen Unterschied zwischen einem seltenen elterlichen Fehler, und einem heuchlerischen Leben gibt. Jeder wird uns verzeihen, sogar unsere Kinder, wenn sie erkennen, dass wir etwas ganz Untypisches getan haben. Mit anderen Worten: Diejenigen, die um uns herum sind, wissen, dass wir normalerweise gewisse Dinge nicht tun, dass wir aber das eine oder andere Mal Fehler begangen haben. Man kann einer heuchlerischen Tat schuldig sein, dabei aber keinen heuchlerischen Charakter haben.
Kinder müssen überzeugt sein, dass ihre Eltern trotz ihrer Mängel aufrichtig sind – dass sie wirklich glauben was sie lehren. Manchmal wird eine Entschuldigung anstatt einer Rechtfertigung von einem Elternteil, der einen ungewollten Fehler begangen hat, viel dazu beitragen, eine Bindung zwischen Kind und Eltern aufzubauen.
Ein durchgehend nicht-heuchlerisches Leben beginnt früh. Ich erinnere mich, eine Sitcom gesehen zu haben, in der ein Vater in Erinnerungen mit alten Freunden schwelgte über das, was sie gemacht hatten, bevor sie verheiratet waren. Kurze Zeit später wurde der Vater auf seinen Sohn aufmerksam, der verstört draußen saß. Als er ihn fragte was verkehrt sei, antwortete sein Sohn etwa so: „Du sagst mir immer, dass ich mich nicht betrinken soll, nicht mit dem Auto rasen soll usw., aber dann erzählen du und deine Freunde uns, wieviel Spaß ihr gehabt habt, wenn ihr gerade diese Dinge getan habt“. Guter Punkt! Manchmal holen uns die Sünden der Vergangenheit wieder ein und bringen uns in Verlegenheit, wenn wir es am wenigsten erwarten.
Grund Nummer 2: Mangel an Weisheit
Eltern müssen einen vernünftigen, gesunden Menschenverstand und Weisheit haben und diese ausüben, wenn sie wollen, dass ihre Kinder sie respektieren und nachahmen. Ein biblischer Spruch besagt: „Wie Schnee nicht zum Sommer und Regen zur Ernte, so reimt sich Ehre nicht zum Toren“ (Sprüche 26, 1). Keine Eltern können sich völlig der sich schnell verändernden Welt anpassen, jedoch um Kinder erfolgreich großzuziehen, müssen wir erkennen, was wir nicht wissen und uns entsprechend in kritischen Bereichen weiterbilden, wenn es nötig ist.
In den 1960ziger Jahren haben die Beatles und andere Rockgruppen eine Drogenkultur eingeführt, von der sich die westliche Welt nie erholt hat. Viele Eltern sagten ihren Teenagern, dass sie süchtig werden, wenn sie Marihuana rauchen würden, und alle möglichen schlechten Dinge wären die Folge. Die Tatsachen entsprachen nicht immer den Warnungen. Nicht jeder wird süchtig, und nicht alle sind gestorben. Eltern hatten Recht, ihre Kinder zu warnen dieses Zeug nicht anzurühren. Sie wussten instinktiv, dass es da Gefahren gab, manchmal jedoch wurden diese Warnungen nicht mit dem sachlich richtigen Wissen und Verständnis weitergegeben.
Heute ist Marihuana um einiges stärker, als es in den sechziger Jahren war, und für einige ist es süchtig machend. Man kann trefflich darüber argumentieren ob es psychisch oder körperlich süchtig machend ist, aber ich persönlich habe solche gekannt, die es probiert und wieder damit aufgehört haben, und solche die wahrhaftig süchtig waren. Die Sache ist, wenn unsere Kinder sehen, dass wir nicht wissen, wovon wir sprechen, verlieren sie den Respekt für uns. Es ist weitaus besser, zuzugeben, was wir nicht wissen und ihnen dann zu helfen das Thema zu recherchieren, als sie durch Scheinwissen hinters Licht zu führen. Auch müssen Eltern sich davor in Acht nehmen, sich in der Öffentlichkeit und privat töricht zu verhalten.
Grund Nummer 3: Ungerechtigkeit
Wie oft hören wir Kinder die ausrufen: „Das ist nicht fair“? Nun, es ist meistens fair, doch es ist für Kinder wichtig, dass sie wissen, dass sie fair behandelt werden. Das heißt aber nicht, dass Fairness dasselbe wie Gleichbehandlung ist. John Wooden von der UCLA war einer der besten, wenn nicht sogar der beste Basketballtrainer aller Zeiten. Seine Mannschaften haben in 12 Jahren 10 nationale Meisterschaften gewonnen, und in seinem Buch They Call Me Coach [Sie nennen mich Trainer] schrieb er diesen aufschlussreichen Kommentar: „Ich behandle meine Spieler nicht alle gleich, ich behandle sie gerecht“.
Wenn Sie Ihrer 16-jährigen Tochter erlauben, Auto zu fahren, und geben Ihrem Sohn nicht das gleiche Privileg, werden Sie wahrscheinlich „das ist nicht fair“ zu hören bekommen! Eher als seinen Protest abzutun ist es wichtig, ihm zu erklären, warum Sie diese Entscheidung getroffen haben: „Deine Schwester hat gezeigt, dass sie verantwortungsbewusst handeln kann. Wenn du beweist, dass du auch verantwortungsbewusst handeln kannst, werden auch dir die Autoschlüssel ausgehändigt“. Tatsache ist, dass wir keine willkürlichen Altersgrenzen für unsere Kinder festlegen können, die in keinem Verhältnis zu ihrer Reife und ihrem Charakter stehen, aber es ist wichtig, dass sie hören, warum wir bestimmte Entscheidungen treffen. Das wird sie nicht daran hindern, weiter zu protestieren, es ist aber wichtig, dass sie hören warum unsere Entscheidungen dennoch fair sind. Man braucht sich den Kindern gegenüber nicht zu rechtfertigen, was oft nicht möglich ist, aber tief im Inneren mögen sie die Wahrheit doch erkennen.
Auf der anderen Seite sollten wir nicht immer ihre Beschwerden über Fairness verwerfen. Ich erinnere mich an eine Familie mit zwei Kindern. Der Jüngere konnte mit fast allem davonkommen, während die Ältere scheinbar nichts richtigmachen konnte. Sie begriff, dass sie nicht gerecht behandelt wurde, und der angerichtete Schaden war geradezu tragisch. Es ist gut, wenn wir in uns gehen, wenn wir „das ist nicht fair“ hören. Halten Sie inne und denken Sie nach. Möglicherweise ist es tatsächlich nicht fair, und wenn das der Fall ist, verändern Sie etwas. Eltern sollten nicht auf solche Beschwerden reinfallen oder gar eingeschüchtert sein, aber sie müssen selbstkritisch, weise und – ja – eben fair sein.
Grund Nummer 4: Mangel an Kontakt
Eigentlich muss uns nicht gesagt werden, dass es wichtig ist, Zeit mit unseren Kindern zu verbringen, seien sie Kleinkinder oder Teenager. Dies muss ein vorrangiges Ziel sein. Wie leicht ist es doch, durch andere Interessen abgelenkt zu werden. Egoismus ist ein Zeichen unserer Zeit. Viele Paare ziehen es vor, keine Kinder zu haben, weil diese ihre Freiheit und ihr Vergnügen einengen würden. Andere haben Kinder, aber leben weiterhin so, als hätten sie keine.
Ich erinnere mich an die Zeit, als meine Frau auf das Kleinkind eines Nachbarn aufpasste. Manchmal, wenn die Mutter von der Arbeit nach Hause kam, um das Kind abzuholen, weinte die Kleine und wollte nicht nach Hause gehen. Dieses sollte eine Warnung für die Eltern gewesen sein, da Kleinkinder gerne bei ihren Müttern sind – sich sogar an sie klammern.
Wenn ein kleines Kind mehr an einer anderen erwachsenen Person hängt – oder, wenn das Kind älter wird, an seinen Spielkameraden – als an seinen Eltern, ist das ein Warnsignal. Kleine Kinder können unsere Geduld mit ihrem Quengeln und ihren andauernden Fragen, wie alles in ihrem kleinen Universum funktioniert, auf die Probe stellen, aber Zeit mit ihnen zu verbringen ist wichtig. Das alte Argument, einen Mangel an gemeinsam verbrachter Zeit mit der „Qualität“ der geringen gemeinsamen Zeit zu rechtfertigen, ist töricht. Beides ist notwendig.
Vor einigen Jahrzehnten hat das Lied von Harry Chapin eine eindringliche Botschaft enthalten. Es beginnt mit einem Knaben der zur Welt kommt, und dessen Vater zu beschäftigt damit ist, „Flieger [zu] erwischen und die Rechnungen zahlen“. Dies hat zur Folge, dass der Knabe laufen lernte „während ich nicht da war“. In der zweiten Strophe will der zehnjährige Ballspielen, aber der Vater antwortet: „Heute nicht. Ich hab‘ so viel zu tun“. „Das ist schon in Ordnung“, antwortete der Sohn als er fortging, und dachte: „Ich werde so werden wie er, ja. Du weißt doch, dass ich mal wie er werde“. Jede weitere Strophe geht mit einer Variation desselben Refrains einher:
Und das Fadenspiel und der silberne Löffel im Mund,
„Komm kleiner Hirte“ und der Mann im Mond,
Wann kommst du nach Hause, Papa? – Wann weiß ich noch nicht,
aber wenn, dann machen wir was zusammen
Du weißt doch, dass wir es uns dann gut gehen lassen
Doch das „dann“ kommt niemals. Erst als der Sohn von der Universität nach Hause kam, fand der Vater endlich Zeit für ihn, aber da hatte der Sohn schon seine eigenen Interessen und hatte selbst keine Zeit mehr für seinen Vater. Erst als er in den Ruhestand ging, erkannte der Vater, dass sein Sohn genau wie er groß geworden war – zu beschäftigt, um Zeit für seine Familie zu haben. Wie oft hören wir: „Sie werden so schnell groß. Wo ist nur die Zeit geblieben?“ Verlorene Zeit kann niemals zurückgeholt werden, und anständige, wohlmeinende Eltern sind manchmal zu beschäftigt, um kostbare Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, bis es zu spät ist.
Wir verstehen, dass Teenager mit anderen Teenagern zusammen sein möchten. Das ist normal. Aber ist Ihnen schon aufgefallen, dass manche Teenager nur von ihren eigenen zu Hause weg sein wollen? Wenn Ihre Kinder mehr Zeit mit anderen verbringen wollen als mit ihnen, ist das Gegenmittel, nicht nachzugeben, sondern gerade mehr Zeit mit Ihren Kindern zu verbringen. Nehmen Sie sie zum Angeln mit, gehen Sie mit ihnen shoppen, spielen Sie Spiele mit ihnen oder gehen Sie mit ihnen zu ihrem bevorzugten Fast-Food Restaurant. Und finden Sie ein gemeinsames Projekt wie beispielsweise einen Garten oder eine Sportart, um mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Selbst wenn sie es in dem Moment nicht schätzen, wird eine Zeit kommen, wo sie es schätzen werden.
Grund Nummer 5: Keine Anleitung (Unterweisung)
Im 5. Buch Moses werden Eltern unterwiesen, ihren Kindern Gottes Gesetze beizubringen: „…und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore“ (5. Mose 6, 7-9).
Dieses Unterweisen soll gewissenhaft durchgeführt werden, manchmal formell und manchmal beiläufig. Es muss unermüdlich geschehen und dem Anlass angepasst sein. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir ein guter Freund einmal erzählt hat. Als er etwa 6 Jahre alt war, war er mit seinem Vater in einem Restaurant, um etwas zu trinken. Sein Vater nahm eine Fünf-Cent-Münze aus der Tasche und stellte sie hochkant auf. Dann schaute er seinen Sohn an und fragte ihn: „Wem gehört diese Münze“? Der Sohn antwortete: „Dir Vati“. Der Vater fragte dann seinen Sohn: „Sohn, wenn du die Münze ohne Erlaubnis deines Vaters an dich nimmst, was würde das aus dir machen“? „Einen Dieb“, antwortete der Sohn. Der Vater gab dann einen eindringlichen Ratschlag. „Mein Sohn, wenn du etwas an dich nimmst, was einem anderen gehört, ob das nun 1000,- Euro oder fünf Cent sind, macht dich das zu einem Dieb“. Und der Mann hat diese Lektion sein Leben lang nicht vergessen. Er hatte einen Vorteil davon, dass sein Vater aktiv engagiert war, seinen Sohn zu lehren.
Im zweiten Teil dieses Artikels, werden wir weitere Gründe untersuchen, warum Kinder vom rechten Weg abkommen. In der Zwischenzeit möchten wir Ihnen unsere Broschüre „Erfolgreiche Kindererziehung: Gottes Weg“ anbieten, um mehr zu diesem Thema zu erfahren. Sie können diese kostenlos über unsere Webseite beziehen.